Solidarität und Krise – Podcast
Deutschlandfunk Kultur: Solidarität in der Krise
Ende September wurde im Museum für Kommunikation in Berlin eine weitere Folge für den Podcast „Diskurs“ des Deutschlandfunkes aufgenommen. Das Thema: Solidarität in der Krise. Unter der Moderation von Christine Watty diskutierten Jule Specht, Beate Rudolf und Ali Yildrim. Aus drei unterschiedlichen Spezialisierungen (Psychologie, Menschenrechte, Aktivismus) entstand ein aufschwingender Diskurs über die Grenzen und Aktivierungen von Solidarität.
Der gesellschaftliche Diskurs ist geprägt von Nachrichten über Krisen. Klimawende, Pandemie, Krieg in Europa. Auch der Anstieg von Armut, Einkommenskluften, aufschwingender Rechtsextremismus in Europa, Populismus und vieles mehr prägen tägliche Gedanken. Wie kann eine Gesellschaft mit dieser Masse an Negativität umgehen? Kann solidarisches Verhalten helfen die Fragen unserer Zeit zu beantworten?
Kollektiv oder Ichbezogenheit?
Aus europäischer Perspektive ist die individuelle Selbstverwirklichung immer wichtiger geworden. Sich selbst zu verbessern und persönliche Ziele zu erreichen gilt als gewünschtes Ideal. Das Kollektiv geht, so das Argument, immer weiter unter. Im Hinblick auf andere Kulturen und Ländern zeigt sich das Gegenteil. Lateinamerika, Süd-Ost-Asien und viele andere Gebiete stellen das Allgemeinwohl über das Individuum. Die nächste Familie zu unterstützen oder Engagement in der Gemeinschaft zu zeigen gilt als wünschenswerter als die Selbstverwirklichung.
Können wir von anderen Ländern lernen, wenn es um kollektive Unterstüzung geht? Die westliche Ichbezogenheit stößt in Krisen auf ihre Grenzen. Gesellschaftliche Solidarität kann in Krisenzeiten nämlich den Zusammenhalt stärken. Das Überwinden von Bedrängnissen überleben zusammenhaltende Gemeinschaften besser.
Was macht Solidarität aus?
Solidarität ist wichtig und gilt als allgemein wünschenswert. Aber was genau lässt sich unter Solidarität verstehen? Warum fühlen sich Menschen solidarisch verpflichtet? Und lässt sich dieses Gefühl verstärken? Dies sind alles wichtige Fragen in der aktuellen Landschaft.
Aus psychologischer Perspektive gibt Frau Prof. Dr. Jule Specht Einblicke auf mögliche Antworten. Sie sieht Solidarität als eine Form von Verhalten. Zumindest gibt es immer einen Verhaltensbezug, wenn von Solidarität gesprochen wird. Solidarität als solches basiert, aus ihrer Perspektive gesehen, auf Gefühlen.
Auch die Allgegenwärtigkeit von Solidarität spielt für sie eine Rolle. Solidarität existiert im Alltag, ohne dass man darüber nachdenken braucht. Sie nimmt die Rolle eines Schattens ein, der nicht vollständig definiert zu sein braucht, um ihn zu spüren. Von der Kinderbetreuung bis zur Unterstützung von Bedürftigen tritt Solidarität als Selbstverständlichkeit auf.
Allgegenwärtigkeit oder Abwägungsprozesse?
Doch von was hängt solidarisches Verhalten ab? Jule Specht sagt dazu folgendes:
„Wem gegenüber verhalte ich mich eher solidarisch und wem gegenüber vielleicht weniger solidarisch? Und da wird es dann wirklich knifflig, weil dann ist es eben nicht dieses endlose Verhalten, was man allen Personen gegenüber zeigt, sondern dann wird tatsächlich zum Teil auch im rationalen Abwägungsprozess entschieden, wie man sich solidarisch gegenüber verhält und wem nicht.”
Um mehr über diesen Abwägungsprozess zu erfahren und auch einen Einblick in andere Perspektiven zu gewinnen, kann die Diskussionsrunde online im Deutschlandfunk Kultur nachgehört werden.